Lahnfahrt 2003 oder Lahn fahr'n heißt Bahn fahr'n

Für den Oktober 2003 wurde nach dem herrlichen Wetter bei der Tour im Jahr zuvor erneut eine Wanderfahrt geplant. Da der 3. Oktober in diesem Jahr keinen Brückentag erlaubte, musste der Donnerstag als Urlaubstag herhalten, sofern man nicht kurzfristig anreisen konnte wie einige in der Umgebung wohnende Ruderkollegen.

Bedingt durch die große Zahl von 38 Teilnehmern von unter 1 bis über 60 konnten wir aus Eigenmitteln nicht genügend geeignete Bootsplätze stellen. So gesellten sich zur Barke "Auguste" und den Gig-Doppelvierern "Alexander von Humboldt" (RVH) und "Albatros" (Schülerbootshaus) die Boote "Alfred Jung" und "Käpt'n Blaubär" vom Limburger Club für Wassersport. Der Bootstransport fuhr zunächst nach Weilburg, lud die eigenen Boote dort ab und begab sich nach Limburg zum CfW, um dort die Leihboote abzuholen, nach Weilburg zu verbringen und dort auf der Wiese des Rudervereins zu lagern. Neben uns waren noch Wanderfahrer aus Bonn und Düsseldorf dort anwesend, was insgesamt 13 Gig-Doppelvierer auf die Wiese brachte (Auguste lag bereits in ihrem Element).

Zum ersten Mal griffen wir konsequent auf nur eine einzige Herberge zurück, die zudem auch noch für jedem Geschmack etwas bot: Der Gasthof "Zum Lahntal" in Laurenburg mit Zimmern, Saal für Luma-Schläfer und Zeltplatz für die ganz harten (und wie sich herausstellte auch die nicht immer ganz dichten). Laurenburg hat europäische Geschichte gemacht, ohne dass kaum jemand den Namen auch nur kennt. Kaum zu glauben? Ein Exkurs in die Geschichte erläutert das näher.

Zum Lahntal

Nachfolgend die Links zum Gasthof. Ohne Active X wird man bei Auswahl der Domain an sich allerdings nicht glücklich, weil es nur mit einem Shockwave-Button weiter geht ... deshalb der zweite Link für alle, die die einzig vernünftige Sicherheitsstufe "paranoid" benutzen. http://www.gasthofzumlahntal.de/ bzw. http://www.gasthofzumlahntal.de/index2.htm

Bedingt durch die Unterkunft erfüllten wir wieder einmal mehr das Wanderfahrtsmotto "Rudern, Wandern und Fahren". Rudern auf der Lahn, Wandern zum Bahnhof und Fahren mit der Deutschen Bahn AG bzw. einer ihrer zahlreichen Regio-Töchter. Flussabwärts aus Laurenburg hinaus und über die Lahn liegt der Bahnhof Laurenburg, der heute zum Haltepunkt mit zwei Signalen (eines pro Richtung) degradiert ist. Früher sah es hier etwas anders aus, wie man an der ausgedünnten Hebelbank erkennen kann, sogar der Bahnübergang geht automatisch. Wie an den kleinen Lahnbahnhöfen üblich, gibt es einen Seitenbahnsteig und einen Mittelbahnsteig für das zweite Gleis. Das Gleis am Hausbahnsteig bleibt während eines Haltes in Gegenrichtung gesperrt.

Hp Laurenburg

Der Startpunkt der ersten Etappe, Weilburg, liegt fast eine Stunde Bahnfahrt entfernt. Die Fahrkarten wurden vom Organisatoren-Team Frank&Frank unter tatkräftiger Mithilfe von Sabrina und einer längerfristigen Blockade eines Schalters im Reisezentrum Hannover bereits im voraus besorgt. Nach dem Weilburger Tunnel überquert die Bahn ein letztes Mal die Lahn, der Bahnhof liegt am Schwimmbad und das wiederum neben dem Ruderverein. Und auch für die Ruderer beginnt die Tour mit einem Tunnel, dem schlagenden Argument, eine Lahntour spätestens in Weilburg zu beginnen.

Am Ruderverein waren gerade Bauarbeiten für eine neue Lahnbrücke, was den Vorteil hatte, dass man nun auch mit einem Bootratansport von der Straße zum Verein kam. Die alte Zufahrt war sowohl eng als auch mit zwei scharfen Kurven versehen. Im Bild ist rechts hinter dem Kran zunächst ein Straßentunnel, links daneben eine Brücke über den Schleusenkanal und dahinter das Portal des Tunnels zur Schleuse. Der Eisenbahntunnel liegt noch weiter links.

Weilburger Tunnel

Der Tunnel, der bis auf die Straßenbrücke und die wenigen Meter zwischen diesem und dem Tunnelmund den gesamten Schleusenkanal bildet, ist zwar nicht besonders lang, aber zum Nichtrudern reicht er.

Tunnelportal

Unmittelbar an den Tunnel grenzt die (erste) Schleusenkammer an. Was wir nie herausgefunden haben: Was tut man, wenn von unten aus der Schleuse ein Boot kommt?

Im Tunnel vor der Schleuse

Vom nachfolgenden Vierer ist nicht mehr zu sehen als die Umrisse der Ruderer - wenn man genau hinsieht.

Ruderer als Scherenschnitte

Doch dann öffnete sich dank Vully, der das Wasser normalerweise eher mit Eimern bewegt, sich bei den kühlen Temperaturen aber zurückhält, das erste Schleusentor. Bevor es wieder schloss, noch ein Blick zurück durch den Tunnel.

Tunnel aus der Schleuse

Auch nach dem Tunnel hat Weilburg für den Wasserwanderer einiges zu bieten. Die Schleuse ist nämlich nicht etwa eine gewöhnliche, sondern eine Doppelkammerschleuse. Es geht also nach der ersten Kammer gleich in die zweite und von dort weiter hinab. Zudem liegt hier auch noch eine Brücke über der Kammer, die leider ein wenig den Blick zum Tunnel versperrt. Das Bild zeigt das Zwischentor bei noch gefüllter oberer Kammer. Vor Limburg sind alle Schleusen selbst zu bedienen.

Zwischentor der Schleuse

Da zum Rudern auch Pausen gehören (Schleusenzeiten sind keine Pausenzeiten), hatte die Fahrtenleitung in ihrer gewohnten Umsicht bereits eine geeignete Lokalität sowohl erkundet als auch reserviert. In Fürfurt, vom Wasser nur durch einen Bahnübergang getrennt, gab es Nudeln mit Goulasch und als die Nudeln alle waren auch noch Pommes satt. Die Boote wurden so lange in virtuellen Schrägparkboxen einquartiert, bei wenig Strömung und keinem Schiffsverkehr war das kein Problem.

Anlegen in Fürfurt

Zwischen Aumenau und Runkel quert die Eisenbahn wieder einmal die Lahn. Interessant an dieser Aufnahme ist die Wasseroberfläche: Flussauf gibt es Untiefen und kleine Stromschnellen. Jedoch ist die Lahn auch bei Niedrigwasser (10-40 cm niedriger als normal) noch tief genug, auch wenn man an einigen Stellen den Grund sehen konnte.

Brücke und Schnelle

Das erste Etappenziel war Villmar. Auch hier liegt der Bahnhof ziemlich einsam am anderen Ufer. Zum Zug sollte man sehr pünktlich sein, da der einzige Zugang über einen Bahnübergang führt, der schon bei geschlossen ist, wenn ein Zug Einfahrt bekommt. Rechts zu sehen ist die Einfahrt zur Schleuse. Wir waren davon ausgegangen, den Zug 17:nochwas nehmen zu können, merkten aber bald, dass das recht knapp sei. Also genossen wir die gemütliche Pause in Fürfurt und planten den nächsten Zug zwei Stunden später ein. Zwischendurch ging nicht, da der dazwischen liegende Zug feiertags nicht verkehrt.

Villmar

Auf der Brücke thront Johannes von Nepomuk. Warum in Villmar an die Vertreibung erinnert wird, weiß ich allerdings auch nicht.

Johannes von Nepomuk

Ein Blick vom Ende der Brücke auf wartende Ruderer (die Bonner) am Bahnhof. Die Rampe führt erst mal hundert Meter in Gegenrichtung, dann kommt der Überweg. Hätte man auch besser machen können. Villmar ist ebenfalls ein zweisignaliger Haltepunkt mit Haus- und Inselbahnsteig.

Bahnhof Villmar

Zurück in Laurenburg. Besonders auffällig ist die bunte Lichterkette, die sich fast von der Brücke bis in den Ort hinein zieht. Das repräsentative Anwesen links beherbergt ein Alten- und Pflegeheim. Links von dessen linkem Trakt ist eine unscheinbare Treppe, die scheinbar in einen Keller führt. Tatsächlich jedoch ist es ein Bergwerksstollen.

Laurenburg bei Nacht

Samstag, zweiter Rudertag. Villmar hat gleich die erste Schleuse, ein wenig später kommt man dann nach Runkel mit der historischen Burg und der ebenso historischen Brücke. In Runkel gab es 1992 einen Skandal, als Ruderinnen sich unbekleidet unter die kalte Dusche auf der Schleuseninsel mitten im Ort stellten. Damals war das Übernachten an den Schleusen noch erlaubt (nur in Runkel angeblich nicht), heute ist es verboten. Die Überanspruchung der Lahn durch Flusswanderer hat zu einer entsprechenden Nutzungsverordnung geführt, die auch das Anlegen außerhalb gekennzeichneter Stellen verbietet.

Burg und Brücke Runkel

Die Ausfahrt aus der Schleuse Runkel ist die einzige kritische Stelle der Lahn. Die Querströmung vom Wehr dreht zuerst das Boot nach Steuerbord, drückt es dann in Richtung Ufer und dreht abschließend das Boot nach Backbord. Man darf also weder zu sehr nach Backbord gegensteuern noch zu früh glauben, die Gefahr sei gebannt: Noch weit hinter dem Brückenpfeiler, wo die beiden Arme zusammentreffen, ist das Wasser sehr flach. Das Boot im Hintergrund hat einige Kratzer im Rumpf abbekommen (für Humboldt, unser Holzboot, wäre das vielleicht das Ende gewesen). In weiser Voraussicht hat der Albatros direkt im Unterwasser der Schleuse gewartet.

Gefährliche Querströmung in Runkel

Anlegen zur Mittagspause beim CfW in Limburg. Ein richtiger Steg ist halt doch von Vorteil. Obwohl im Hintergrund bereits das Wehr ist, gibt es hier praktisch keine Strömung. Die beiden limburger Boote gingen hier an Land - zum Zwischenstopp beim Heimatverein. Kurz vor Limburg hatte es übrigens angefangen zu regnen. Nach dem Anlegen der Regenkleidung hörte es wieder auf.

Anlegen in Limburg

Über der Stadt thronen die Burg und der bekannte Dom. Noch näher dran als der CfW ist allerdings der Kanuverein, der im nächsten Haus links sitzt.

Dom und Burg zu Limburg

Die meisten Boote sind bereits festgemacht, im Hintergrund nähert sich das letzte der typischen Verpflegung aus Brötchen, "Schweinekäse" (Fleischkäse), Wasser und Bier. Die Brücke der Autobahn 3 Frankfurt-Köln ragt hoch über die Lahn hinaus. Etwas weiter oberhalb kann man auf einer vergleichbaren Brücke die ICE3 auf der Schnellfahrstrecke dahinfahren sehen.

Barke und Autobahn

In dieser Umgebung fühlen sich die Boote bestimmt wohl, auch wenn sich nicht mal annähernd gleich alt sind ;-)

Boote vor dem Dom

Nachdem ein ortsansässiger Jungruderer mit seinem Skiff kenterte, konnten wir uns sogar noch nützlich machen. Vor allem natürlich Jürgen, die das Rettungsboot bemannte.

Bergungsarbeiten

Die Limburger Schleuse ist die erste bediente Schleuse der Lahn, die ab Dietkirchen (km 70) für 200-Tonnen-Schiffe ausgebaut ist. Trotzdem geht es hier noch wesentlich gemütlicher zu als auf den meisten anderen Schleusen, der Meister geht sogar noch zu den Toren hin und bedient die Schalter dort, und die Einfahrt wird mit "Formsignalen" erlaubt. Limburg geht fast in Diez über, zwischen beiden liegt aber die Landesgrenze. Und unterhalb von Diez passiert man den Fachingen, Herkunftsort des Mineralwassers.

Schleuse Limburg

Das zweite und damit auch schon vorletzte Etappenziel bildete Balduinstein. Hinter dem in der Flussbiegung gelegenen Ort mit seinem Wehrturm liegt die Schaumburg fast 200 Meter höher auf dem Berg. Oder besser gesagt: Eine Schaumburg, denn bekanntlich liegt im Süntel bei Hessisch Oldendorf auch eine solche. Und diese hier ist in Rheinland-Pfalz, zwischen Limburg und der Nachbarstadt Diez liegt die Landesgrenze nach Hessen.

Balduinstein und Schaumburg

Balduinstein bekommt den ersten Preis für die beste Anlegestelle. Zwar nicht so sehr was die Möglichkeit zum Herausnehmen angeht, aber die Infrastruktur ist perfekt: WC-Häuschen, Kiosk und direkt dahinter das Bahnhofsgebäude. Da seinerzeit verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Herren der Schaumburg und den regierenden Habsburgern bestanden, musste man damit rechen, dass Kaiserliche Hoheiten im Bahnhof ankämen. Deshalb ist dieser relativ groß und aufwendig gestaltet worden, einschließlich Fürstenzimmer. Selbst dem Vorraum kann man heute noch seine Pracht ansehen, obwohl im eine Renovierung gut täte. Mehr zur Schaumburg auf der Kultur-Seite.

Anlegestelle in Balduinstein

Am Sonntag war dann nur eine Vormittagetappe von Balduinstein nach Laurenburg eingeplant. Die ersten Boote gesellten sich zu zwei Motorbooten, darunter der "Prinzessin von Oranien" aus Nassau, in die Schleuse Balduinstein. Das ist die Gelegenheit, an dieser Stelle noch mal auf den Exkurs in die Geschichte hinzuweisen. Vor der Schleuse fällt links ein großer Wassereinlass auf, doch dazu später. Die Lahn macht nun einen großen Schlenker, weder Bahn noch Straße noch Radwanderweg begleiten sie. Ein Tunnel führt die Bahn unter den Cramberg hindurch, so dass die Strecke etwa sechs Kilometer kürzer ist als der Wasserweg. Auf der Karte sieht es interessant aus: Die Lahn fließt rund zwei Kilometer nach Nordwesten, biegt dann praktisch rechtwinklig nach Südwesten ab, im gleichen Abstand nach Südosten, passiert die Schleuse Scheidt und dreht wiederum nach zwei Kilometern nicht ganz nach Nordosten. Nun legt sie nur einen Kilometer zurück und macht vor dem Cramberg eine enge Wendung nach Südwesten. Zusammen mit dem Eisenbahntunnel bildet sie so ein bemerkenswert gutes Quadrat. Fluss und Bahn biegen nach nur einem Kilometer gemeinsam nach Westen und halten diese Richtung bis Laurenburg. Nach dieser Beschreibung nun aber ein Bild aus der Schleuse Scheidt, wo man offenbar Wale mag:

Die Fluke in der Schleuse Scheidt

Doch noch mal zurück zum Wassereinlauf in Balduinstein. Das Wasser wird von da durch einen Tunnel parallel zum Eisenbahntunnel geleitet und treibt auf der Südseite des Berges, zwei Staustufen tiefer, ein Wasserkraftwerk. Von diesem fehlt mir ein Bild, aber eines vom Tunnelportal kann ich bieten. Ach, was noch zu erwähnen ist: Anders als bei der ersten Etappe konnten die Bahnfahrkarten nicht in Hannover gekauft werden, da die kürzere Strecke in einem Verkehrsverbund liegt und im DB-Reisezentrum keine Verbundfahrscheine verkauft werden ...

Crambergtrunnel Südportal

Damit begannen die letzten Kilometer der Lahntour 2003, die eine Mannschaft noch zu einer Pause mit heißer Schokolade im "Zum Lahntal" nutzte, bevor sie wieder ablegte, die andern Boote an der Anlegestelle unter der Brücke einholte, alle gemeinsam die Boote transportfähig machten und ins "Zum Lahntal" zurückkehrten. Und spätestens wer diesen Bericht und die beiden Unterseiten dazu gelesen hat, weiß nun, was es mit Selters auf sich hat und welche historische Bedeutung die Laurenburg oben über dem Ort hat. RMS - Rudern macht schlau.

Die Laurenburg


Zur Tourenliste
Zur Tourenliste
Startseite
Zur Heinz-Willi-Startseite

Mail an webmaster@heinz-willi.de