RMS - Rudern macht schlau

Nassau und die Nassauer

Die Grafen und Herzöge von Nassau

Da legt doch in Balduinstein am anderen Ufer ein Motorboot mit dem Namen "Prinzessin von Oranien" ab, und die Kollegen trifft man später in Laurenburg im Gasthof wieder. Grund genug, sich einmal Gedanken darüber zu machen, wieso ein in Nassau zugelassenes Sportboot so einen Namen trägt. Achtung: Obwohl ich einige Quellen zusammengefasst habe, ist das eine recht lange Geschichte. Die erstaunliche Quintessenz findet sich am Schluss noch mal in einer Zusammenfassung - und für die ganz Faulen in der allerkürzesten Form. Die französischen Könige nannten sich auch "allerchristliche Majestäten" und die spanischen "allerkatholischste Majestäten" - sowas weiß man, wenn man C. S. Forester's "Horatio Hornblower" liest. Letzterer kommt in dieser Geschichte nicht direkt vor, wohl aber die beiden Könige.

Nassau ist zunächst einmal als ein Ort an der Lahn bekannt, wenn auch bestimmt nicht so wie Gießen, Wetzlar oder Limburg.

Die Nassauer gehen auf die Herren von Lipporn (ab 9. Jh., heute PLZ 56357, ca. 20  südlich zwischen St. Goarshausen und Bad Schwalbach) und die Grafen von Laurenburg (11./12. Jh., PLZ 56379) zurück, womit auch geklärt ist, wer in Laurenburg gelebt hat. Die Burg wurde vor einigen Jahren nach längerer Vernachlässigung privat gekauft und wird vom Besitzer bewohnt, um die Erhaltung kümmert sich außerdem ein gemeinnütziger Förderverein. Lipporn wurde seinerzeit an das Kloster Schaffhausen verschenkt. Vermutlich haben die Laurenburger um 1125 in Nassau eine Burg gebaut, um Besitzansprüche zu sichern. Nassau gehörte damals zum Wormser Hochstift. Nachdem ein guter Teil der Familie exkommuniziert wurde, kam es schließlich zur Einigung, die Laurenburger namen Nassau als Lehen und nannten sich Grafen von Nassau.

1255 teilten die Brüder Walram II. und Otto I. die Grafschaft, Otto nahm den Teil nördlich der Lahn (Westerwald), Walram den südlich (Taunus). Ihr Vater hatte gute Beziehungen zu den Staufern (Kaiser Barbarossa) und die Ländereien bedeutend vergrößert.

Die ottonische Linie spaltete sich im nächsten Jahrhundert nach und nach in die dillenburger (356xx), hadamarer (65589) und siegener (570xx), beilsteiner (zu 35753 Greifenstein), liebenscheider (56479) und - durch Heirat aus der dillenburger Linie - bredaer (Niederlande, heute Provinz Noord Brabant) Linien auf, die letzten drei fielen mehrmals an das Stammhaus zurück. Diez (65582) kam durch Heirat zu den Nassauern. Schließch wurde die bredaer Linie 1516 eigenständig. 1530 erbte sie Orange in Südfrankreich an der Rhône, so kamen die Nassau-Oranier in die europäische (und Welt-) Geschichte. Bis auf die diezer (jüngere oranier) Linie verschwanden sie alle im 17. bis 18. Jahrhundert.

Die walramische Linie spaltete sich in die Idstein-Wiesbadener (bis ins 17. Jh.) und die Weilburger auf, letztere gewannen später Saarbrücken hinzu. Die Aufsplitterung brauchte noch weitere Linien hervor. Am längsten von allen nassauischen Linien (außer der von Oranien in den Niederlanden) existierten die Fürsten von Weilburg: bis 1912.

Bedeutend in der Geschichte wurden die Walramer 1292, als sie nach dem Tod Rudolfs von Habsburg Adolf von Nassau statt Albrecht von Habsburg, den Sohn von Rudolf, auf den Thron setzen ließen. Nach einigen Jahren hatten die Kurfürsten ihren König satt und setzten diesen nun zum ersten Mal in der deutschen Geschichte ab und Albrecht ein, der sich sein Recht aber erst erkämpfen musste. Adolf von Nassau fiel 1298 in der letzten großen Ritterschlacht überhaupt. Sein Sohn hieß auch Albrecht und übernahm die Regierung in der walramischen Linie. So endete der einzige deutsche König aus der Familie der Nassauer.

1806 trat Weilburg dem Rheinbund bei und erhielt u. a. die Schaumburg bei Balduinstein und Frücht, aber auch Diez (das den Oraniern gehörte). Die Usinger, ein weiterer walramischer Zweig, stellten den ersten der drei nassauischen Herzöge, Friedrich August. Diez kam 1813 zurück an die Oranier, wurde aber von diesen mit an Preußen abgegeben. 1815 bestätigte der Wiener Kongress das Herzogtum, der Weilburger Wilhelm folgte nach dem Tod seines Verwandten im folgenden Jahr. Und nach dessen Tod kam Adolf an die Macht, offenbar ein Unglücksname, wie man seit 1298 wissen sollte. 1866 stand er an der Seite von Hannover, Kurhessen und Österreich - Preußen gewann, annektierte Nassau, vereinigte es mit Hessen zur Provinz Hessen-Nassau und zahlte Adolf eine Entschädigung. Als später die nassau-oranische Linie auf männlicher Seite ausstarb (1890), wurde Adolf Großherzog von Luxemburg. Später starb auch hier die männliche Linie aus, Luxemburg ging an die Großherzoginnen Marie-Adelheid und Charlotte, dann an deren Sohn Jean.

Wilhelmus van Nassouwe

Doch was hat das nun alles mit den Niederlanden zu tun? Nun, in der dillenburger Linie wurde am 24.04.1533 (in Dillenburg) Wilhelm geboren, der schon 1544 von seinem Vetter aus der bredaer Linie das kleine Fürstentum Orange in Südfrankreich erbte. Wilhelm wurde 1559 Statthalter der Provinzen Holland, Zeeland, Utrecht und Westfriesland, damals von Spanien besetzt, was wiederum auf den habsburgischen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation Karl V. zurückging, dem die vorher burgundischen Teile (Karl der Kühne) der Niederlande nebst eigenen Erwerbungen zufielen ... und nach dessen Tod 1556 an den kastilischen Zweig der Habsburger (Philipp II.) gingen, während die anderen mitteleuropäischen Teile des Reiches an Karls Bruder Ferdinand vererbt wurden. Karl V. hatte das größte Reich seit Karl dem Großen - Namen scheinen doch Vorbedeutungen zu haben.

Wilhelm kämpfte gegen die spanischen Unterdrücker, mit nassauischem Vermögen, jedoch nicht gleich erfolgreich: 1566 begann der erste Aufstand, 1609 erkannte Spanien faktisch die Niederlande an, die jedoch erst 1648 offiziell zur unabhängigen Republik wurden (deshalb: der achtzigjährige Kampf). Trotzdem gilt "Wilhelmus von Nassouwe" als niederländischer Nationalheld und Wegbereiter der unabhängigen Republik, und schon irgendwann zwischen 1568 und 1572 wurde ihm zu Ehren ein Lied gedichtet, das 1932 zur Nationalhymne der Niederlande wurde, zur ältesten der Welt. Wilhelm wurde am 10.07.1584 in Prinsenhof zu Delft von einem Burgunder namens Baltasar Gérard erschossen, zu seinen direkten Nachkommen kehren wir weiter unten noch einmal zurück.

Wilhelmus van Nassouwe

Wilhelmus van Nassouwe
Ben ik, van Duitsen bloed,
Den vaderland getrouwe
Blijf ik tot in den dood.
Een Prinse van Oranje
Ben ik, vrij onverveerd,
Den Koning van Hispanje
Heb ik altijd geëerd.

Die niederländische Nationalhymne besingt also

Nassau und die Niederlande

So weit also die erste Verbindung zwischen Nassau und den Niederlanden. Ihr Ende ist zugleich eine Verbindung mit England: Wilhelms Urenkel Wilhelm III. war mit Maria, der Tochter Jakob II. von England (ein Stuart) verheiratet. Jakob II. regierte gegen das Parlament, das Wilhelm zu Hilfe rief. (1649 bis 1660 war England Republik unter Oliver Cromwell, nachdem Karl I. aus dem gleichen Grund einen Kopf kürzer gemacht wurde). Wilhelm und Maria segelten ein, Jakob floh zu Ludwig XIV. nach Frankreich (der vorher vergeblich versuchte, die Niederlande zu annektieren), und Wilhelm und Maria wurden im April 1689 zu Königen von England und leiteten die "Glorious Revolution" ein (Erst 1674 war der letzte Krieg zwischen England und den Niederlanden beendet worden). Wilhelm zu Ehren wurde die Hauptstadt der Bahamas von Charles-Town in Nassau umbenannt. Er regierte bis zu seinem Tod als Generalstatthalter der Niederlande und König von England, blieb aber kinderlos. Die Linie Nassau-Diez übernahm in der Erbfolge die Niederlande, seit 1747 als erbliche Statthalter der Niederlande mit Sitz in Den Haag und stellt bis heute die Thronfolge in dem Land. Ein Königreich sind die Niederlande erst seit dem Wiener Kongress 1816 (Wilhelm VI., 1803-1806 Fürst von Oranien-Fulda wurde zu Wilhelm I. der Niederlande), ebenfalls seitdem ist Luxemburg ein Großherzogtum. Letzteres tauschten die Oranier bei Preußen gegen alle deutschen Besitzungen ein. Neben dem Hochstift Fulda gehörten seit der napoleonischen Zeit auch Corvey (das alte Kloster an der Weser) und Dortmund dazu. Bis 1890 wurden beide Länder in Personalunion von Wilhelm I-III regiert, dann fielen die Niederlande an die weiblichen Oranier, zuerst die Witwe von Wilhelm III als Regentin, bis ihre Tochter Wilhelmina acht Jahre später erwachsen wurde und fünfzig Jahre lang - bis 1948 - regierte. Ihre Tochter Juliana übernahm das Amt und dankte selbst 32 Jahre später zu Gunsten ihrer ältesten Tocher Beatrix ab - in der 27. Generation des Hauses Nassau. Luxemburg ging 1890 wie bereits oben beschrieben nach einem Erbvertrag aus dem 18. Jahrhundert an die walramische Linie.

Fassen wir noch mal ganz knapp zusammen:
Aus der kleinen Grafschaft Laurenburg/Lahn entstammt ein weit verzweigtes Adelsgeschlecht, das zuerst in Nassau ansässig war, für die Modernisierung der konstitutionellen Monarchie in England verantwortlich ist, maßgeblich an der Befreiung der Niederlande beteiligt war, und noch heute die Königinnen der Niederlande und die Großherzöge von Luxemburg stellt.

Dass die Niederländer bei Feiern in ihrem Königshaus viel Orange benutzen, liegt an einer Stadt an der Rhône ca. 20 km oberhalb von Avignon.

Sonstiges zu Nassau

Die Herren de lapide, später vom Stein, waren zunächst Lehnsnehmer und Burgmannen der Nassauer. Auf einem Sattel am Burgberg in Nassau stehen heute noch die Ruinen der Burg, die sie für treue Dieste von den Nassauern erhielten. Außerdem gehörte ihnen der Ort Frücht oberhalb von Lahnstein. Später wurden die vom Stein zu freien Reichsrittern, der erste Freie ist 1158 erwähnt. Heinrich Friedrich Carl Reichsfreiherr vom und zum Stein, leitender Minister unter Friedrich Wilhelm III. von Preußen, der Beseitiger der Erbuntertänigkeit der Bauern und einer der Vordenker des Widerstands gegen Napoleon, ist die bekannteste Person der Familie. Die Burg ist zwar eine Ruine, aber in Nassau steht noch das Steinsche Schloss (der ehemalige Gutshof, 1621 bezogen), heute im Besitz des Grafen von Kanitz. Stein, seine Eltern und seine Frau, sind in einer alten Kapelle bei Frücht bestattet, die er zur Familiengruft hat ausbauen lassen.

Das historische Freiherr-vom-Stein-Denkmal in Nassau wurde ebenso wie ein Großteil der Stadt, die mit ihren Kuranlagen als Lazarett diente, bei zwei Bombenangriffen Anfang 1945 zerstört.

Am Rande sei noch bemerkt, dass das Wort "Nassauer" für einen Schmarotzer sprachlich mit "nass" (wie in nassforsch) verwandt ist und enge Beziehungen zum Jiddischen und der Zigeunersprache hat. Die Nassauer selbst beziehen es allerdings darauf, dass die Universität von Göttingen 1817 Nassauische Landesuniversität wurde. (Nassau, damals gerade Herzogtum geworden, hatte keine eigene Universität.) Das Studium weitab der Heimat, aber dennoch formell im "Inland", wurde mit Stipendien in Form freier Verköstigung unterstützt. Nun sollen damals nassauische Studenten dem Freitisch fern geblieben sein, und andere gaben sich stattdessen als "Nassauer" aus. Ulkig: Auch heute noch - seit 1848 übrigens an allen Hochschulen - zahlt die Stiftung Nassauischer Zentralstudienfonds Stipendien an nassauische Studenten, die vom Regierungspräsidium in Darmstadt (Abt. VIII - Forsten und Naturschutz, Dezernat 69 b) bewilligt werden.

Interessantre Links:
http://rz-home.de/~vstefanm/geschichte_nassau.htm Zur nassauischen Geschichte allgemein
http://www.nassau-info.de/geschichte-jb-adolf.htm Zu König Adolf
http://www.nassau-info.de/geschichte-jb-teilungen.htm Zu den dynastischen Teilungen
http://www.nassau-info.de/geschichte-jb-territorium.htm Nassauische Terrotorien zu Beginn des 19. Jh.
http://www.nassau-info.de/geschichte-jb-herzogtum.htm Zum Herzogtum Nassau
http://dutchrevolt.leidenuniv.nl/Nederlands/default.htm Die Revolte der Niederlande, in Niederländisch
http://www.hoeckmann.de Allgemein interessante Geschichtsbeiträge


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